Jakob Andreae an Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel

Andreae an Wilhelm IV. von Hessen-Kassel

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| 4r | Durchleuchtiger, hochgeborner fürst vnnd herr, die gnad Gotes durch Christum sampt meinen vnnderthenigen vnnd allzeitt willigen diennsten vnnd gebett zuuor.

Gnaͤdiger herr, was E'uer' f'ürstliche' g'naden' mir Jungst gnediglich beuolen1, bei meinem g'nädigen' f'ürsten' vnd hern, Hertzog Ludwigen etc.2, In E. f. g. Namen zuuermelden, das hab Ich In vnderthenigkeitt mit bestem vleiß verrichtet. Darauff S'eine' f. g. sicha so Christlich vernemen lassen, dessen dem Allmechtigen wir In disem furstenthumb billich vnsb zu frewen, Got, dem Herrn, zudancken, vnnd so vil dester mehr vrsachen haben, fur E. f. g., auch S. f. g., zu bitten, das der Allmechtig dieselbige seiner kirchen zum Trost In sollichem Christlichen eifer erhalten woͤlle. Deßgleichen hab Ich auch die sachen bey den geheimen Rhaͤten3 angebracht, vnd das In beysein deß hern Marschalck4, welcher saget, das E. f. g. Ime eben diß gleicher gestallt beuolhen gegen den Andern mittgehaimen Rhaͤten zuuermelden. Zweifellt mir auch nicht, denn das sie sollicher E. f. g. Christlichen vnd gnedigen vertröstung stetigs eingedenck vnnd nach derselben sich werden verhallten. Mein g. fürstin vnd frawen aber, die Wittib5, hab Ich noch der Zeitt von wegen derselben schwacheitt nicht anreden khönnen, welche mir gnedige vertröstung gethan, das sie mich selbst gnediglich hören wollen, darauff Ich noch vnderthenig vnd gehorsam thu warten. Alls denn soll E. f. g. mir gegebener gnediger beuelch auch verichtet werden.

Belangend die Concordiam vnnd die Artickel, so darauff gestellt vnnd E. f. g. Jungst vbergeben6, hab ich dieselbige an noch mehr orten gelangen lassen7, vnnd befind durch Gotes gnad bey meniglich mit Christlichem beyfahl, das sie Inen disen weg gefallen lassenc, Auch khein andern wissen, dadurch unsern | 4v | der pfaffen ergerliche gezenck auffgehoben vnnd die Reine leer vnuerfaͤlscht erhalten werden moͤgen. Da Ich nun die subscriptiones alle zusamen bringen werde8, sollen sie alsdann E. f. g. vndertheniglich vberschickt werden. Darneben aber Ist an E. f. g. mein vnderthenig bitt umb Gotes willen: Die wöllen gemeiner Christenhaitt zu gutem Ir dise sachen mitt gnaden beuolhen sein lassen vnnd die gelegenhait bey dem Churf'ürsten' zu Sachsen9 nicht verseumen, darmitt von seiner Churf'ürstlichen' g. Theologen zu Wittemberg solliche auch vnderschriben, wie denn d'octor' Georgius Major10 Inn beysein des Abbts zum Berg vor Magdenburg11 mit claren Runden Worten sich vernemen lassen: Er lass Ime gar wol gefallen vnnd wisse es auch mitt dem wenigsten wort nicht zu straffen vnd zweifel nicht daran, es werden Inen sollichs auch seine gesellen, so vff dem Colloquio zu Alldenburg12, gleicher gestaltt gefallen lassen, denn es sey sunst khein weg zur Concordi diser Zeitt zu finden, die er auch noch nach seinem eussersten vermögen bey dem Churf. vnnd andern befürdern wölle13.

Da wir nun durch Gottes gnad solliche erlangt, wurden die papisten vnd der pabst zu Rom dessen höher erschrecken, Alls wann wird mit auffgerichten fehnlin wider In ziehen vnnd kriegen sollten. Der Allmachtige wöll sein gnad darzu verleihen. Amen.

In das Herzogthumb Brunschwig schick Ich hiemit siben Junger predicanten, so geleret vnnd wol studiret; vnnd da sie Inen der sprach halben14 nicht vnangenem, sollen Inen mehr geschickt werden, | 5r | darmitt die kirch Gottes auch der andern erbawet vnd der Nam Gotes vnd seins h'eiligen' worts weit außgebreitet werde15.

E. f. g. beuehle Ich hiemitt dem Allmechtigen In sein g. vnd vätterlichen schutz vnnd schirm, wunsch vnnd bitt derselben von Gott ein lang leben, frische gesundhaitt, glukliche vnd fridliche Regierung, Zeittliche vnd ewige wolfart, vnnd thu mich als derselben Jeder zeitt vnderthenig vnd von hertzen willigen Caplon In gnaden beuelhen. Der Allmechtig wöll E. f. g. den gnedigen willen mitt seiner gnaden widerumb vergellten, so sie mir In Jungstem durchreisen bewisen, vnd E. f. g. Ich nimer mehr gnugsam danckbarlich Rhumen khan, wie gnedig E. f. g. sich gegen mir erwisen vnd so gnedigen willen erzeitt16. Gott wöll E. f. g. In disem Christlichen eifer biß an derselben end gnedig erhalten. Amen.

Datum Tübingen, 5. Aprilis 1569.

E. f. g. Vndertheniger Allzeitt williger Caplon Jacobus Andreae D'octor'

eIch verhoff auch, gnediger fürst vnnd herr, das M. Joannes Garnerius17 soll bestendig sein vnd bleiben vnnd auch andere bekheren, so bis daher Calvinisch gewesen. Der Allmechtige helff, das sie die sachen Recht verstehn vnd disen leidigen streitt fallen lassen. Denn einmal die sach an Ir selbst Richtig, wann man allein menschlicher phantasien fallen lest vnnd sich an das wort deß herrn hellt.e

(Adressierung:) | 5v | Dem durchleuchtigen, hochgebornen fürsten vnnd hern, hern Wilhelm, Landgraf zu Hessen, Grauen zu Catzenelnbogen, Dietz, Zigenhaim vnd Nida etc.18, meinem gnedigen fürsten vnnd herrnn.

(Zeitgenössische Notiz:) Marpurg, am 25. Aprilis Anno etc. 69.


a über der Zeile.
b über der Zeile.
c am Rand.
d über der Zeile.
e–e am Rand

1Bereits in seinem Schreiben an Wilhelm IV. vom 17. Februar 1569 (Brief-ID 80082) berichtet Andreae, dass er das dem Inhalt nach unbekannte Anliegen des Landgrafen am wüttembergischen Hof vorgetragen hat.
2Herzog Ludwig der Fromme von Württemberg (1554–1593).
3Die geheimen Regiments- und Kuratelräte wurden während der Zeit der Vormundschaft eines Herzogs tätig und führten die Oberaufsicht über die Zentralbehörden im Herzogtum Württemberg. Vgl. Schaab/Schwarzmaier/u. a., Handbuch 2, S. 136.
4Sittich von Berlepsch bzw. Berlipsch († 1572) wurde im April 1557 zum Rat und im Oktober 1558 zum Marschall bestellt. Vgl. Pfeilsticker, Dienerbuch 1, § 1125.
5Anna Maria von Brandenburg-Ansbach (1526–1589), die Witwe (Wittib) des am 28. Dezember 1568 verstorbenen Herzogs Christoph von Württemberg.
6Andreae hatte im Januar 1569 auf dem Rückweg von Wolfenbüttel nach Württemberg drei Tage bei Landgraf Wilhelm IV. in Kassel verbracht und ihm bei diesem Aufenthalt auch eine Abschrift der in Wittenberg mit Major besprochenen fünf deutschen Artikel übergeben. Vgl. Andreae, Grundtlicher Bericht, 1570 (VD16 A 2641), Bl. D3rv; Mager, Konkordienformel, S. 52. Anscheinend ließ der Landgraf die Artikel durch einen hessischen Pfarrer in die lateinische Sprache übersetzen. Da ihm die Übersetzung aber nicht genügte, fertigte der Landgraf selbst eine Übersetzung an und sandte sie Andreae am 21. Mai 1569 zur Prüfung zu (Brief-ID 80086).
7Nach der im Januar in Kassel getroffenen Absprache mit dem Landgrafen sollte Andreae die Fünf Artikel zunächst den vornebmsten Kirchen und Stedten inn Obernteutsch- und Schwabenlandt zuschicken und deren Stellungnahmen sammeln, vgl. Andreae, Grundtlicher Bericht, 1570 (VD16 A 2641), Bl. D3v und D4v.
8Zu den Erfolgen bei der Sammlung der Unterschriften vgl. Andreae, Grundtlicher Bericht, 1570 (VD16 A 2641), Bl. E1rv.
9Kurfürst August von Sachsen (1526–1586).
10Georg Major (1502–1574).
11Peter Ulner (1523–1595), erster protestantischer Abt des Klosters Berge. Er hatte Andreae von Wolfenbüttel nach Wittenberg begleitet, vgl. Andreae, Grundtlicher Bericht, 1570 (VD16 A 2641), Bl. D1r.
12Zum Altenburger Kolloquium s. Brief-ID 19611, Anm. 5 und 80718, Anm. 4.
13Zu Andreaes Zusammentreffen mit Georg Major in Wittenberg vgl. Brief-ID 19611, Anm. 5 und 19566.
14Im Herzogtum Braunschweig war die für Württemberger fremde mittelniederdeutsche Sprache (Ostfälisch) gebräuchlich. Zu deren Verbreitung vgl. Peters, Mittelniederdeutsche Sprache, S. 70f. und ebd. im Anhang Karte 3.
15In seinen Briefen an Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel vom 26. März 1569 (Brief-ID 19676) und an Martin Chemnitz vom 1. April 1569 (Brief-ID 80084) hatte Andreae über die Schwierigkeiten berichtet, in Württemberg Pfarrer für eine Tätigkeit im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel zu gewinnen. Er hatte Herzog Julius daher die Entsendung gut ausgebildeter Magistri des Tübinger Stifts angeboten. Anscheinend war der Herzog auf den Vorschlag eingegangen, denn vom gleichen Tag wie Andreaes Schreiben an Landgraf Wilhelm stammt ein Brief von Herzog Julius (Brief-ID 19568), in welchem er Andreae mitteilt, dass der Hausrat der sieben Kandidaten zunächst einmal nach Frankfurt am Main transportiert werden soll.
16bewiesen.
17Jean Garnier (Johannes Garnerius, [† 1574]). Er erhielt 1560 einen Lehrstuhl für Theologie an der Universität Marburg; als Hofprediger (ab 1566) zählte er zu den wichtigsten Beratern Landgraf Wilhelms IV.
18Nach dem Tod Landgraf Philipps I. (1567) regierte dessen ältester Sohn Wilhelm IV. die Niedergrafschaft mit der Residenz in Kassel, seine drei Brüder Hessen-Darmstadt, Hessen-Marburg und Hessen-Rheinfels. Vgl. TRE 15, S. 269 (K. Dienst); Demandt, Philipp, S. 58f.
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