Kurfürst Ludwig VI. von der Pfalz an Simon Sulzer

Heidelberg, 13. Januar 1578

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| [1r] | aAd D. Sulcerum.a

Von Gottes gnaden Ludwig, Pfaltzgraf Bei Rhein, Ertzdruchseß vnnd Churfurst etc.

Vnnsern grus zuuor, Ersamer, lieber, besonnder. Wir mögen Euch gnedigst nit pergen, Welchermassen wir zu antrettung vnserer Churfurstlichen Regirung1 vnsere Kirchen vnnd Schulen durch etliche Theologos betruebt vnd sonnderlich in höchsten Articuln der Augspurgischen Confession vnnd derselben rechten verstanndt von den hochwurdigen Sacramenten widerwerttig befundenn, Derowegen wir dann vnserm Ambt nach nit vmbgehn sollen, hierjnn geburlichs einsehen zugebrauchen vnnd vff Abschaffung der jrrigen vnd vffstellung anderer, reiner Theologen, Prediger vnd Schueldiener vnnsere Kirchen vnd Schuelen von newem wider zuuersorgen.2 Nachdem wir aber erfahren vnd berichtet wordenn, wie etliche außlendische haußhebigeb3 personen sich beuorab hiehero jn vnnser Statt Heidelberg, auch sonnsten noch in einenn vnsern flecken, jn einer zimblichen anzal zusam gesetzt vnnd heußlichen nidergethan,4 wir sie auch an Lehrernc vnnd Predigern vnd an solchen leuten, dieweil sie der Teutschen sprach nit kundig, sonnder allein jr Frantzosisch verstehen, nit gern mangel leiden lassen, sonnder viellieber notwendiglich versorgt wissen woltenn, Vnnd die anweisung5 empfanngen, das jr ewerer jn Frannckreich hinein habenndend guten khundschafft nach6 vns jn solchem vnnderthenigst dienen vnd derogleichen Prediger wol zufurdern soltet gelegenheit habenn, Also ist an Euch vnnser gnedigs gesinnen vnd begern, vnserthalb hierin bemueth zu sein Vnnd, do bei Euch jn der Statt Basel derogleichen Prediger, so mit diennstenn vnuersehen weren oder, wo nit, jr deren sonnsten etwa annderer orten vnnd jn Frannckreich wustet, doch das sie jn allweg der | [1v] | Augspurgischen Confession, dero rechtem verstanndt nach, jn jrer Glaubensbekhanndtnus vnd Lehr gemeß seyen, Vns derselben zwen, so jn der Frantzosischen sprach geüebt, heraus zuschribenn vnnd zuzufurdern Vnd mit jnen dahin zuhandlen, das sie sich anfenglich vor sich allein vnnd ohne jre haußhaben7 vff vnnsern Costen hiehero begeben vnd dem Examini vnsers Kirchenraths alhie vnnderwerffen. So wöllen wir sie alßdann nach erfindung jrer qualitet vnd geschicklichkheit mit solcher besoldung vnd Competentz versehen, das sie ein geburlichs außkhommen haben mögen, Jnen auch, vnd do so beweibt vnnd mit Kindern gesegnet, alle befurderung erzeigen lassen, jr weib vnnd Kindter heraus zubringenn, Wie wir dann jn gleichem vnd deßhalben auch vnsern lieben besonndern Burgermeister8 vnnd Rath zu Basel zugeschrieben, vns zu solchen auch befurderlich zu erscheinenn.

An dem erzaigt jr Gott ein wolgefelligs werckh, Befurdert dardurch die vortpflantzung seines allein seligmachenden worts vnd deß rechten gebrauchs der hochwurdigen Sacramenten, Vnnd thuet daran vns ein sonnders wolgefallen, dasselb jn gnaden gegen Euch zuerkhennen. Sind auch gnedigst vrpuetig, do jr deßhalb Pottenlohn oder sonnsten vncosten vffwenden wurdet, denselbigen euch gnedigst wider erstattenn zulassenn.

Datum Heidelberg, den 13ten Januarii Anno 1578ten.

eLudwig Pfaltzgraff Churfurst.e


a–a von anderer Hand – Umschlag und Adresse fehlen.
b im Wort korrigiert.
c konj. für: Lehren.
d im Wort korrigiert.
e–e von Kurfürst Ludwigs Hand.

1Ludwigs Vater, Kurfürst Friedrich Ⅲ., war am 26. Oktober 1576 in Heidelberg gestorben.
2Nach seinem Regierungsantritt revidierte Kurfürst Ludwig Ⅵ. den konfessionellen und religionspolitischen Kurs seines reformierten Vaters Friedrich Ⅲ. Dies hatte nicht zuletzt personelle Konsequenzen. Prominente Opfer der ersten Entlassungen Ende 1576/Anfang 1577 waren etwa Kaspar Olevian (1536–1587), Hofprediger Daniel Tossanus d. Ä. (1541–1602), Oberrat Wenzeslaus Zuleger (1530–1596) und Kanzler Christoph Ehem (1528–1592); ihrer Ämter enthoben wurden zudem der reformierte Kirchenrat und weitere reformierte Räte. Gerade im Bereich der Schulen und Kirchen trieb Ludwig Ⅵ. die Relutheranisierung der Kurpfalz voran: Die Theologieprofessoren Pierre Bouquin (1510/15–1582), Hieronymus Zanchi (1516–1590) und Immanuel Tremellius (1510–1580) mussten die Heidelberger Universität Ende 1577 verlassen, auch das Pädagogium und das Collegium Sapientiae waren betroffen. Insgesamt verließen etwa 500–600 reformierte Pfarrer und Lehrer sowie etwa 400 Stipendiaten und Schüler die Kurpfalz. Vgl. dazu Kohnle, Kleine Geschichte, S. 88–93; Schaab, Geschichte¹ 2, S. 50–52; Press, Calvinismus, S. 271–278; Wolgast, Reformierte Konfession, S. 74–78.
3hausbesitzende, ansässige. DRW 5, Sp. 421.
4In der Kurpfalz ließen sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts englische, niederländische und französische Glaubensflüchtlinge nieder. Die reformierten französischen Fremdengemeinden in Schönau (Odenwald) und Heidelberg wurden von Kurfürst Ludwig Ⅵ. 1577 aufgelöst. Vgl. dazu Kohnle, Kleine Geschichte, S. 87 und 92.
5Hinweis, Anzeige. FWB 1, Sp. 1588f.
6Sulzer pflegte briefliche Kontakte in die französischsprachige Schweiz und nach Frankreich, etwa mit (den Reformierten!) Johannes Calvin (1509–1564), Theodor Beza (1519–1605), Guillaume Farel (1489–1565) und Pierre Viret (1511–1571). Vgl. dazu das Korrespondenzverzeichnis bei Abendschein, Sulzer, S. 552–639.
7ohne ihren häuslichen Besitz, ohne ihren Hausrat. DRW 5, Sp. 420.
8Basler Bürgermeister war zu diesem Zeitpunkt Kaspar Krug (1518–1579).
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