Kaspar Olevian an Heinrich Bullinger

[Heidelberg], 3. April 1563

[annotieren]
SucheNavigation einblenden

| 82r | Graciam ac pacem. Gratias tibi ago, venerande pater ac serve Christi, pro libro ad me misso1, et remitto catechismos nostros Latinos et Germanicos.2 Certe si qua in iis est perspicuitas, eius bonam partem tibi et candidis ingeniis Helvetiorum debemus.3 Gloria redeat ad solum deum. Non unius, sed multorum collatae sunt piae cogitationes.4 Certe factum est negligenter, quod citius ad te non est missus, sed ego nolui festinatione et praepropera liberalitate mea laudem praecipere charissimis collegis meis, Erasto5 praecipue. Sed ut ut sit, communi nostro nomine hosce libellos ad vos mitto. Iudicium tuum valde desydero. Certe Princeps6 multis regibus additis literis manu propria scriptis ut principibus concionatur eo libello.7 Vere Evangelium confertur grano synapios.8 Deus det suam benedictionem. Amen. Pax gallica9 certo est constituta et Conedensi10 commissa Regnia11 administratio. Haec festinanter ad te scribo. Rogo, ut in bonam partem accipias. Vale, vir praestantiss'ime', et oro deum, ut te diutissime servet suae Ecclesiae. Ora pro me quoque, quemadmodum orasti, cum tibi valedicerem, ut deus mihi daret donum perspicuitatis12. Eundem nunc ora, ut sua quantulacunque dona augeat misero servo. Vale.

3. April. Ao. 63.

T. Olevianus.

(Adressierung:) | 82v | Eximio ac vere fideli servo Christi, Domino Heynricho Bullyngero, ministro Ecclesiae Tigurinae, Domino meo observando.
Tiguri.

(Zeitgenössische Notiz:) bOlevianus de Catechesi Palatina Mense Aprili 1563.b


a danach ein Buchstabe gestr.
b–b von Bullingers Hand.

1Es ist nicht bekannt, um welches Buch es sich handelte, zumal Briefe von Bullinger an Olevian bis auf eine Ausnahme (vgl. Brief-ID 38867) nicht bekannt sind.
2Heidelberger Katechismus. Dieser wurde auf der Grundlage einiger von Zacharias Ursinus im kurfürstlichen Auftrag geleisteten Vorarbeiten gegen Ende 1562 durch ein aus den Professoren der theologischen Fakultät und Kirchenräten bestehendes Gremium redigiert und im Januar 1563 von den führenden Theologen der Kurpfalz verhandelt und approbiert. Vgl. TRE 14, S. 582 (W. Metz); EKO 14, S. 40f. Er erschien Anfang Februar 1563 mit einer Vorrede des Kurfürsten vom 19. Januar unter dem Titel Catechismus Oder Christlicher Vnderricht (VD16 P 2165. 2166; Edition in: EKO 14, S. 342–368; Reformierte Bekenntnisschriften II/2, S. 176–212). Zu den drei deutschen Auflagen und der lateinischen Ausgabe von 1563 vgl. EKO 14, S. 41–43; Henß, Heidelberger Katechismus. Durch seine Integration in die Kirchenordnung vom 15. November 1563 wurde der Katechismus verbindlich für das pfälzische Kurfürstentum. Vgl. Mühling, Einführung, S. 28f. — Am Abfassungstag des vorliegenden Briefes sandte Olevian auch zwei Exemplare der lateinischen Ausgabe (Catechesis religionis christianae, VD16 P 2183) an Johannes Calvin und Theodor Beza nach Genf. S. unten Brief-ID 18495.
3Die schweizerischen Einflüsse im Heidelberger Katechismus resultierten aus persönlichen Beziehungen des Verfasserkreises zu den Zentren der Schweizer Reformation (vgl. Opitz, Schweizer Wurzeln, S. 64–66; Campi, Katechismus; Gunnoe, Origins). So sind – etwa infolge des Aufenthalts von Zacharias Ursinus in Genf und Zürich 1557 und 1560 – zwinglianische und calvinische Prägungen in der Sakramentenlehre nachweisbar. Vgl. Strohm, Entstehung, S. 414.
4Zu der bis heute nicht restlos geklärten Frage nach den Autoren des Heidelberger Katechismus vgl. TRE 14, S. 582–586 (W. Metz); Strohm, Entstehung, S. 413f. Indes herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Ursinus die größte theologische Verantwortung für den gesamten Katechismus trug (Opitz, Katechismus, S. 14). Dass es sich um eine Gemeinschaftsarbeit handelte, wird schon in der Vorrede des Kurfürsten, der auch selbst mitgewirkt hatte, deutlich. Vgl. dazu Gunnoe, Thomas Erastus, S. 113–117.
5Thomas Erastus (1524–1583). Zu seiner Bedeutung für die Entstehung des Heidelberger Katechismus vgl. Wesel-Roth, Erastus, S. 31–36; Gunnoe, Thomas Erastus, S. 105–131; Campi, Katechismus, S. 55f. Erastus hatte am 30. Januar 1563 Bullinger gegenüber den im Druck befindlichen Katechismus erwähnt (Brief-ID 18570; vgl. Wesel-Roth, Erastus, S. 35) und am 26. Februar 1563 ein Exemplar an Bullinger abgeschickt: Catechismus editus est, ut vides hic tibi missum (Brief-ID 18556). Dieser Sendung von Erastus hatte Olevian nicht zuvorkommen wollen.
6Kurfürst Friedrich Ⅲ. von der Pfalz (1515–1576).
7S. dazu unten Brief-ID 18495.
8Vgl. Mt 13,31f.; Mk 4,30–32; Lk 13,18f. — Die Form synapios ist der griechisch flektierte Genitiv (σινάπυος).
9Edikt von Amboise vom 19. März 1563, mit dem der erste Religionskrieg in Frankreich (1562–1563) beendet wurde (Edition in: Isambert, Recueil, S. 135–140, Nr. 53, datiert im Osterstil auf 1562). Eine deutsche Ausgabe erschien am 27. März 1563 unter dem Titel Edict und Erclerung von der Königlichen Würden in Franckreich, Carolo dem IX. außgangen, von wegen der friedtshandlung vnd hinlegung der entbörungen, so in gemeltem Königreich entstanden (VD16 F 2380).
10Louis Ⅰ. de Bourbon, Fürst von Condé (1530–1569). Zu seiner Rolle als Anführer der Hugenotten im Ersten Hugenottenkrieg vgl. Knecht, French Wars of Religion, S. xxiii und 34–38.
11Hintergrund dieser Nachricht dürften die Hoffnungen gewesen sein, die sich Condé auf die französische Generalstatthalterschaft machte, nachdem sein Bruder Antoine de Bourbon, König von Navarra, der dieses Amt innegehabt hatte, im November 1562 gestorben war. Vgl. Soldan, Protestantismus 2, S. 77f. und 102.
12Vgl. Jes 11,2.
»